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Der Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die Diskussion (und aktuelle Forschung) zur Fachspezifität von Unterrichtsqualität aus der Perspektive der Mathematikdidaktik. Sowohl theoretische als auch empirische Argumente verdeutlichen, dass bei einer Konzeptualisierung von Unterrichtsqualität fachspezifische Aspekte nicht außer Acht gelassen werden sollten. Die Berücksichtigung fachspezifischer Aspekte bezieht sich derzeit meist auf die Spezifizierung von Kriterien bei der Erfassung Unterrichtsqualität durch Ratings. Wir argumentieren jedoch, dass Kriterien dabei nicht die einzige relevante Varianzquelle darstellen, in der sich Fachspezifität niederschlägt. Um der Fachspezifität von Unterrichtsqualität systematisch auf die Spur zu kommen, schlagen wir daher eine mehrdimensionale Perspektive auf die Fachspezifität von Unterrichtsqualität als Grundlage für empirische Forschungsstrategien vor. Demnach zeigt sich die Fachspezifität von Unterrichtsqualität in unterschiedlichen Varianzquellen (Kriterien, Situationen, Ratern), die sich durch verschiedene Grade an Fachspezifität systematisch auf die eingeschätzte Unterrichtsqualität auswirken können. Insbesondere illustrieren wir anhand eines Beispiels, wie das fach- und inhaltsbezogene Wissen von Ratern (und damit die Fachspezifität von Ratern) ihre Interpretationen von Kriterien und Unterrichtssituationen beeinflussen und sich systematisch in ihren Einschätzungen von Unterrichtsqualität niederschlagen können.
Bisherige Untersuchungen zu kognitiv aktivierendem Unterricht belegen überwiegend positive Effekte auf die Leistungsentwicklung der Schülerinnen und Schüler. Jedoch wird die Wirkung eines solchen Lernangebots bei leistungsschwächeren Lernenden selten untersucht. Der Fokus des vorliegenden Beitrags liegt daher auf der Nutzung und Wirkung kognitiv aktivierenden Unterrichts bei Schülerinnen und Schülern an Haupt- und Realschulen. Es wurde untersucht, (1) ob es einen Zusammenhang zwischen der beobachteten kognitiven Aktivierung und dem Ausmaß selbstberichteter kognitiver Aktivität der Schülerinnen und Schüler gibt und (2) ob sich die in den beobachteten Unterrichtsstunden erzielten Lernzuwächse der Schülerinnen und Schüler mit dem Ausmaß kognitiver Aktivierung im Unterricht und der selbstberichteten kognitiven Aktivität erklären lassen. Dazu wurden 60 videographierte Mathematikstunden hinsichtlich ihres Ausmaßes an kognitiver Aktivierung hochinferent bewertet, die entsprechenden Schülerinnen und Schüler (N = 608) aus der achten Jahrgangsstufe an Haupt- und Realschulen zu ihrer kognitiven Aktivität im Unterricht befragt sowie ihre Leistung im Prä-Post-Design erfasst. Die Vorhersage der kognitiven Aktivität bzw. des Leistungszuwachses wurde mithilfe eines Mehrebenen-Designs untersucht. Erwartungswidrig zeigte sich Evidenz für die Nichtexistenz eines Zusammenhangs zwischen kognitiver Aktivierung und kognitiver Aktivität, jedoch bestätigen die Ergebnisse die Annahme, dass der Leistungszuwachs der Schülerinnen und Schüler unter anderem durch das Ausmaß kognitiver Aktivierung in den Lernbegleitungsphasen moderiert wird. Implikationen für die weitere Forschung werden diskutiert.
Bei der Auswahl von Aufgaben für einen adaptiven Unterricht schätzen Lehrkräfte deren fachliche Anforderungen ein. Im Rahmen eines Modells der Informationsverarbeitung wird angenommen, dass bei solchen diagnostischen Urteilen über Aufgaben auf Basis fachdidaktischen Wissens schwierigkeitsgenerierende Merkmale identifiziert und diese hinsichtlich ihres Einflusses auf die Aufgabenschwierigkeit gewichtet werden. Dabei erfolgt die Verarbeitung von Oberflächen- und Tiefenmerkmalen unterschiedlich schnell und ist daher abhängig von der verfügbaren Zeit. Anliegen der Studie ist es, diese Annahmen über die kognitiven Prozesse bei der Urteilsbildung zu prüfen, indem Aufgabenmerkmale systematisch variiert und fachdidaktisches Wissen als Personenmerkmal sowie Zeitdruck als Situationsmerkmal experimentell variiert werden. Zur Prüfung der Modellannahmen werden bei Lehramtsstudierenden (N = 175) zwei Bedingungen verglichen: Einer Experimentalgruppe wird spezifisches fachdidaktisches Wissen über schwierigkeitsgenerierende Aufgabenmerkmale vermittelt. Ihre aufgabendiagnostischen Urteile werden durch paarweise Schwierigkeitsvergleiche erfasst und mit einer Kontrollgruppe verglichen – jeweils mit hoher und mit geringer Zeitrestriktion. Es zeigt sich, dass fachdidaktisches Wissen dazu führt, dass schwierigkeitsgenerierende Aufgabenmerkmale signifikant besser identifiziert und gewichtet werden, Zeitdruck hingegen hat signifikant negative Auswirkungen auf die Urteilsgüte. Die beschriebene Merkmalsvariation schlägt sich demnach hypothesenkonform in der Urteilsakkuratheit nieder, wobei die Prozesse der Identifizierung und der Gewichtung von schwierigkeitsgenerierenden Aufgabenmerkmalen unterschieden werden. Diese Ergebnisse erlauben Rückschlüsse auf die Bedeutung von spezifischem fachdidaktischem Wissen für diagnostische Urteile und geben damit Impulse für die Lehrkräfteaus- und -fortbildung. Die Unterscheidung der kognitiven Prozesse beim Einschätzen von Aufgabenschwierigkeit mit und ohne Zeitdruck legt nahe, dass sich Lehrkräfte hierüber während der Unterrichtsplanung (ohne Zeitdruck) und im Unterrichtsgeschehen (mit Zeitdruck) bewusst sein sollten, um reflektiert damit umgehen zu können.
Der Forschungsstand zu diagnostischen Kompetenzen von Lehrkräften – als wesentliche Voraussetzung für Feedback oder adaptives Unterrichten – wird zurzeit als unbefriedigend angesehen, da kaum überzeugende Theorien über die kognitiven Prozesse bei der Genese diagnostischer Urteile bestehen. An dieser Stelle setzt das Rahmenmodell DiaCoM (Explaining Teachers’ Diagnostic Judgements by Cognitive Modeling) an. Das DiaCoM-Rahmenmodell bietet eine theoretische Basis für Forschungsansätze, die diagnostische Urteile von Lehrkräften als Informationsverarbeitungsprozesse erklären wollen. Es konzeptualisiert diagnostisches Urteilen in Bildungskontexten als kognitive Prozesse einer Lehrkraft über Schülerinnen und Schüler (z. B. deren Fähigkeit) oder über Anforderungen (z. B. Aufgabenschwierigkeiten) auf der Grundlage der Informationen, die explizit oder implizit in einer diagnostischen Situation bestehen. Es bezieht sich auf Theorien der kognitiven Informationsverarbeitung und erfordert eine Spezifikation von vier Komponenten: die Personencharakteristika, die Situationscharakteristika, das diagnostische Denken als Informationsverarbeitung und schließlich das Diagnoseverhalten. Der Beitrag stellt dar, wie das DiaCoM-Rahmenmodell als forschungsheuristisches Modell eingesetzt werden kann, um Erklärungswissen zur Genese diagnostischer Urteile zu generieren: Durch Spezifikation der informationsverarbeitenden Prozesse können theoretische Voraussagen darüber getroffen werden, welche Personen- und Situationscharakteristika zu welchem diagnostischen Verhalten führen. Diese Annahmen sind dann einer experimentellen Prüfung durch systematische Variation der Situation oder der Personen (z. B. durch Instruktion) zugänglich.
Dass bei pädagogischen Entscheidungen die Heterogenität der Lernenden berücksichtigt werden muss,ist keine neue Erkenntnis. Viele unterschiedliche Strategien des Differenzierens werden schon seit Jahrzehnten diskutiert, in der täglichen Praxis umgesetzt und auch empirisch untersucht. Ein Überblick über wichtige Ansätze.