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Die Förderung von Mädchen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, den MINT-Fächern, ist von großer Bedeutung, um ihnen eine berufliche Perspektive in diesem Bereich zu ermöglichen und Geschlechterungleichheiten abzubauen. Trotz erheblicher Bemühungen besteht eine anhaltende Geschlechterkluft in der MINT-Bildung und -Arbeitswelt. Ein Grund hierfür wird in Unterschieden der Selbstwahrnehmung gesehen. Bei objektiv gleichen Leistungen schätzen Schülerinnen ihre Fähigkeiten im MINT-Bereich in Bezug auf zukünftige Erfolge, die Selbstwirksamkeitserwartung, geringer ein als Schüler. Daraus resultiert eine Nicht-Wahl von Fächern und Berufen in diesen Bereichen.
Serious Games – digitale Spiele, die speziell für Bildungs- und Lernzwecke entwickelt werden – könnten das Potenzial haben, die Selbstwirksamkeitserwartung der Schülerinnen zu erhöhen und ermöglichen eine individuelle Unterstützung, was auch für das Lernen förderlich ist. Durch die interaktive und spielerische Natur von Serious Games kann das sogenannte Flow-Erleben ermöglicht werden, einen Zustand völliger Vertiefung und konzentrierter Hingabe an eine Aktivität. Dieses Flow-Erleben kann dazu beitragen, die Selbstwirksamkeitserwartung der Schülerinnen zu stärken, indem es ihnen ermöglicht, ihre Fähigkeiten in einem unterstützenden und engagierten Umfeld zu erkunden und zu entwickeln.
Diese Annahme bildet den Kern dieser Arbeit, welche die Auswirkungen eines Serious Games im Bereich der Elektrizitätslehre auf das Flow-Erleben, das Lernen und die Selbstwirksamkeitserwartung von Schüler:innen untersucht. Insgesamt nahmen363 Schüler:innen (310 vollständige Fragebögen) an einem Pre-Post-Design mit Kontrollgruppe teil. Die Ergebnisse zeigen, dass das Serious Game in geringer Effektstärke mehr Flow-Erleben ermöglicht als die konventionellen Unterrichtsmaterialien der Kontrollgruppe. Innerhalb der Experimental- und der Kontrollgruppe zeigten sich geschlechtsspezifische Unterschiede: In beiden Gruppen erlebten die Schüler mehr Flow als die Schülerinnen. Das Flow-Erleben war in beiden Gruppen ein Prädiktor für die Selbstwirksamkeitserwartung nach der Intervention, nur in der Kontrollgruppe konnte das Flow-Erleben auch das Fachwissen vorhersagen. Die Studie zeigt auch, dass das Fachwissen vor der Intervention für die Lernwirksamkeit des Spiels nicht von Bedeutung ist.
Die Ergebnisse zeigen Hinweise darauf, dass hohes Flow-Erleben und hohe Selbstwirksamkeitserwartung gemeinsam auftreten, da sie durch ähnliche Komponenten der Settings hervorgerufen werden. Damit könnte die Selbstwirksamkeitserwartung durch geeignete Unterrichtsszenarien verbessert werden, die sowohl die Theorie der Selbstwirksamkeitserwartung als auch Elemente des Flow-Erlebens berücksichtigen. Eine positive Lernumgebung, die die Interessen und Bedürfnisse der Mädchen berücksichtigt, könnte einen wesentlichen Beitrag zur Förderung von Mädchen im MINT-Bereich leisten, um die Geschlechterkluft in der MINT-Bildung und -Arbeitswelt zu überbrücken.
Arbeitsbedingte Belastungen und Beanspruchungen bei Beschäftigten in haushaltsnahen Dienstleistungen
(2024)
Die Beschäftigung in haushaltsnahen Dienstleistungen und damit einhergehende Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen sind ein wissenschaftlich kaum untersuchtes Feld. Über die Beschäftigtengruppe, ihre soziodemografischen Merkmale und ihre Motivation ist wenig bekannt, ebenso wenig darüber, unter welchen Bedingungen Haushaltshilfen in Privathaushalten arbeiten. Im Rahmen eines empirischen Vorgehens wurden die genannten Desiderate im Rahmen dieser Arbeit untersucht. Im ersten Schritt wurden Interviews mit rechtskonform und nicht rechtskonform Beschäftigten in haushaltsnahen Dienstleistungen (n=17) geführt und mithilfe der Framework Analyse ausgewertet. Im zweiten Schritt wurde eine quantitative Onlinebefragung unter rechtskonform Beschäftigten durchgeführt (n=229), welche deskriptiv und inferenzstatistisch ausgewertet wurde.
Die Erhebungen brachten übereinstimmend zum Vorschein, dass die Beschäftigten im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen durchschnittlich höheren Alters sind und in der Regel weiblich, ihre Lebenslagen, Biographien und Bildungshintergründe sind dagegen heterogen und lassen nur schwerlich von der „typischen“ Haushaltshilfe sprechen. Ferner zeigte sich in den Leitfadeninterviews, dass finanzielle Aspekte, Flexibilität in der Arbeits(zeit)gestaltung und Sinnhaftigkeit bedeutsame Motivatoren für die Aufnahme einer solchen Tätigkeit sind. Als Belastungsfaktoren ließen sich vor allem Alleinarbeit, der Umgang mit fremdem Eigentum und die damit einhergehende Verantwortung, sowie fehlende Wertschätzung und Anerkennung der Arbeit von Haushaltshilfen identifizieren. Erkennbar wurde zudem das unbedingte Bestreben, das von den Auftraggeber*innen entgegengebrachte Vertrauen nicht zu enttäuschen.
Die Ergebnisse der quantitativen Datenerhebung konnten einige der in den Interviews identifizierten Faktoren bestätigen und lieferten weiterführend Erkenntnisse zu den Wirkungszusammenhängen von arbeitsbezogener Belastung und Erschöpfung einerseits, und Ressourcen und Engagement der Beschäftigten anderer-seits. Die Untersuchung, welche in ihrer theoretischen Konstruktion auf dem Job-Demands-Ressources Modell fußt, zeigte, dass nicht allein das Ausmaß an Belastung für das Ausmaß an Erschöpfung verantwortlich ist, sondern Ressourcen ebenfalls eine bedeutsame Rolle dabei einnehmen. Analog dazu war festzustellen, dass auch hinsichtlich der Prognose von arbeitsbezogenem Engagement nicht nur die Ressourcenausstattung, sondern auch das Ausmaß an Belastung von Bedeutung ist. Ferner zeigte sich übereinstimmend in beiden Erhebungen, dass die Beachtung formaler Rahmenbedingungen sowie die Sicherstellung der Anforderungen zugunsten von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit von Auftraggeber*innen in höchst unterschiedlichem Maße praktiziert werden. Deutlich wurde, dass die konkrete Arbeitssituation von Haushaltshilfen in hohem Maße vom jeweiligen Auf-traggeber*innenhaushalt abhängt.
Aus den gewonnenen Erkenntnissen lassen sich vielfältige Anforderungen an bzw. Herausforderungen für institutionelle und politische Akteure, aber auch Auftraggeber*innen von Haushaltshilfen ableiten. Als bedeutsamster Faktor erscheint dabei die generelle Aufwertung und Wertschätzung der Tätigkeit von Haushaltshilfen.
In dieser Arbeit werden die Effekte zweier Interventionen berichtet, die die Förderung von zwei wesentlichen Aspekten des Lernens bei Schülerinnen und Schülern bzw. Lehramtsstudierenden in naturwissenschaftlichen Kontexten untersuchen.
Insbesondere in den Naturwissenschaften werden bei Schülern oft Lernschwierigkeiten festgestellt, deren Ursache häufig Fehlvorstellungen sind. In einer Interventionsstudie im Kontrollgruppendesign wurde untersucht, wie sich eine Unterrichtseinheit, in der empirisch erhobene Schülervorstellungen intensiv berücksichtigt werden, auf die Zufriedenheit mit dem Gelernten und die Beschäftigung mit den eigenen Vorstellungen sowie den Lernerfolg und die Veränderung der Wissensstrukturen von Schülern der achten Klasse Realschule auswirkt. Mit Hilfe von Prä-, Post- und Follow-up-Tests wurden die psychometrischen Daten sowie die Schülervorstellungen erhoben und Concept Maps erstellt.
In der Auswertung zeigten sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Lernzufriedenheit zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Die Concept Maps wurden für jeweils eine Klasse ausgewertet und wiesen im Follow-up-Test in strukturellen Parametern hochsignifikante Unterschiede zwischen den Gruppen auf.
In der quasi-experimentellen Prä-Post-Follow-up-Studie „SysThema“ wurden die Effekte von Seminaren, die sich in der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Ausrichtung unterscheiden, auf das systemische Denken von Lehramtsstudierenden untersucht. Hierfür wurde ein Messinstrument zur Erfassung systemischen Denkens bei Lehramtsstudierenden entwickelt, das in der Interventionsstudie SysThema mit dem Ziel eingesetzt wurde, die Effekte fachwissenschaftlich und fachdidaktisch unterschiedlich ausgerichteter Seminare auf die Fähigkeit systemischen Denkens bei Lehramtsstudierenden zu untersuchen. Die Kenndaten des Messinstruments zur Erfassung systemischen Denkens zeigen, dass es gelungen ist, wichtige Teilfähigkeiten systemischen Denkens in ökologischen Kontexten bei Lehramtsstudierenden mit einem objektiven, validen und zeitlich gut zu bearbeitenden (bis 60 Minuten) Messinstrument zu erfassen.
Die Testergebnisse nach der Intervention zeigen, dass systemisches Denken bei Lehramtsstudierenden der Biologie und Geographie sowohl in Lehrveranstaltungen mit fachwissenschaftlichen Inhalt als auch in Lehrveranstaltungen mit überwiegend fachdidaktischem Schwerpunkt gefördert werden kann.
Bei der Einschätzung von Aufgabenschwierigkeit müssen Lehrkräfte relevante Aufgabenmerkmale wahrnehmen, interpretieren und zu einem abschließenden Urteil integrieren. Diese der Aufgabendiagnose zugrundeliegenden kognitiven Prozesse wurden bisher zwar theoretisch angenommen, allerdings nur selten systematisch untersucht. Die Dissertation setzt sich auch unterschiedlichen experimentellen Studien zusammen, in denen personale Merkmale der beurteilenden Lehrkräfte (PCK, Berufserfahrung) und das situative Merkmal der vorhandenen Urteilszeit systematisch variiert wurden, um deren Einfluss auf die Urteilsprozesse zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Interpretation und die Integration der Aufgabenmerkmale wissensbasierte Urteilsprozesse sind, dass Berufserfahrung die akkurate Anwendung von vermitteltem Wissen selbst unter Zeitdruck ermöglicht und dass die vorhandene Urteilszeit ausschließlich den komplexen Prozess der Informationsintegration beeinflusst.
In dieser empirischen Studie wird bei angehenden Lehrkräften der Primarstufe (n =241) anhand von Themen des Sachunterrichts aus den Domänen Wirtschaft (Preisbildung, Funktion von Banken) und Physik (Licht und Schatten, Hebel) untersucht, ob bzw. inwieweit ein Transfer themenbezogener diagnostischer Kompetenz als Facette des pedagogical content knowledge erfolgt. Die Ergebnisse der Interventionsstudie zeigen, dass unter näher zu bestimmenden Voraussetzungen ein Transfer von PCK erfolgen kann.
Im Fokus der kumulativen Dissertationsschrift steht das unterrichtsbegleitende Diagnostizieren von Schüler*innenvorstellungen als wesentliche Komponente individueller Förderung von Schüler*innen im Fachunterricht. Genauer wird der Frage nachgegangen, wie (angehende) Lehrkräfte bei der Aneignung von Fertigkeiten zur Diagnose unterstützt werden können. Exemplarisch wurden als Diagnosegegenstand verschiedene Arten ökologischer Schüler*innenvorstellungen ausgewählt, die sowohl allgemein im Sachunterricht bzw. Biologieunterricht als auch im Kontext einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) von wesentlicher Bedeutung sind.
Als hilfreiche Unterstützung instruktionaler Erklärungen im Unterricht wird häufig der Einsatz einer Visualisierung gefordert. Dabei bleibt offen, welche Rolle diese Visualisierung in Bezug auf die Qualität der Erklärung spielt. In zwei qualitativen Teilstudien mit angehenden und praktizierenden Lehrkräften wurden anhand von Erklärvideos zu Äquivalenzumformungen Zusammenhänge zwischen der Qualität instruktionaler Erklärungen, der Qualität der Visualisierung und ihres Einsatzes sowie der fachlichen und fachdidaktischen Qualität betrachtet.
Hintergrund: Das Promotionsvorhaben „Pflegende Angehörige auf Distanz – Versorgungsstrukturen: Lücken, Bedarfe und Entwicklungsmöglichkeiten“ verortet sich im Forschungsgebiet Häusliche/Ambulante Pflege und richtet dabei den Blick auf eine deutlich wachsende und doch in Deutschland bislang in der Versorgungsforschung kaum wahrgenommene Zielgruppe: Pflegende Angehörige, die bei räumlicher Entfernung für ihre hilfe- und pflegebedürftigen Angehörigen Sorge tragen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie im Sinne einer „Collaborative Care“ die Versorgungssituation von auf Distanz pflegenden Familien optimiert werden kann.
Methodik: Ein qualitativ-explorativer Forschungsansatz in Form von leitfadengestützten Interviews ermöglicht es zunächst, ausgehend von der spezifischen Nutzer- und Patientenperspektive „pflegender Angehöriger auf Distanz“, zu untersuchen, welche besonderen Herausforderungen und Bedarfe vorliegen und welche Versorgungslücken offensichtlich werden (n = 17). In einer Methodenkombination erfolgt die Auswertung zunächst inhaltsanalytisch-strukturierend (Mayring), in einem zweiten Schritt auch rekonstruktiv (Bohnsack). Trianguliert werden diese Ergebnisse mit der Perspektive von Expert*innen im Versorgungssystem (n = 22).
Ergebnisse: Räumliche Entfernung zeigt Auswirkungen auf die Entscheidung zur Pflege, entfaltet Konsequenzen über den gesamten Pflegeprozess und bringt spezifische Belastungen mit sich. Erkennbar wird eine diverse Zielgruppe mit einem breiten Aufgabenspektrum und vielfältigen Herausforderungen, vor allem im emotionalen Bereich. Die rekonstruktive Auswertung generiert fünf typische Orientierungen (pragmatisch, netzwerkend, resignativ, integrierend, fürsprechend), aus denen sich jeweils unterschiedliche Bedarfe und Interventionsoptionen ableiten lassen. Die Expert*innen-interviews verweisen auf Lücken und Chancen des Versorgungssystems. Hürden werden vor allem in der Koordination sowie in geregelten Kommunikationsstrukturen gesehen. Handlungsleitende Empfehlungen weisen auf neue Beratungs- und Begleitungsaufgaben hin, lassen neue Engagementprofile (auch im Kontext von Techniknutzung) erkennen und betonen die Notwendigkeit, entfernt lebende Angehörige wertschätzend wahrzunehmen, anzusprechen und zu beteiligen.
Schlussfolgerung: Im Kontext des demografischen Wandels steigt die Zahl älterer und pflegebedürftiger Menschen. Ihre Versorgung wird ohne die Stabilisierung der zentralen Stütze „pflegender Angehöriger“ nicht zu gewährleisten sein, wobei sich mit zunehmender räumlicher Entfernung neue, bislang unbeantwortete, Herausforderungen ergeben.
In der Dissertationsschrift wird der Frage nachgegangen, welcher Zusammenhang zwischen der Leistung im Thema Lineare Funktionen und der weiteren individuellen Faktoren – Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, Präferenzen und metarepräsentationalem Wissen – besteht. Hierbei werden auf die zwei Repräsentationsarten Wertetabelle und Funktionsgraph sowohl beim Leistungsmaß als auch bei der Messung von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen und Präferenzen fokussiert. Die verschiedenen Spezifitätsebenen von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen werden gemäß der inhaltlichen Ebenen (domänenspezifisch, themenspezifisch und repräsentationsspezifisch) definiert. Die Erhebung wurde in der Realschule Klasse 8 mit 350 Schülerinnen und Schülern durchgeführt. Die vorgelegte Studie gibt empirische Hinweise auf die hergeleiteten Spezifitätsebenen.
Die Themen der Diagnose und Förderung nehmen bei der Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht eine hohe Bedeutung ein. Bereits für das Lehramtsstudium schreiben KMK-Standards zum Beispiel die Beschäftigung mit Grundlagen der Lernprozessdiagnostik vor. Jedoch erscheinen Lehrveranstaltungen, die Studierende auf spätere Diagnose- und Förderaufgaben vorbereiten, bislang unzureichend in die Lehramtsausbildung implementiert. Wissenschaftlich evaluierte Ansätze zur Förderung diagnostischer Kompetenzen gelten als Forschungsdesiderat, evidenzbasierte Lehre zu diesem Aspekt pädagogischer Professionalität als ausbaufähig. Für die universitäre Ausbildung werden Instruktionsstrategien empfohlen, die neben theoretischem Wissen über Diagnostik auch das Können der Studierenden fördern.
Ziel der in dieser Arbeit vorgestellten, evaluierten Intervention ist der Erwerb diagnostischer Kompetenzen anhand von Lernaufgaben, die im Unterricht sowohl zur Diagnose fachlicher Lernprozesse als auch zur individuellen Förderung eingesetzt werden können. Die biologiedidaktische Intervention berücksichtigt zur Vorbereitung auf spätere Diagnose- und Förderaktivitäten im Fach Biologie drei Wissensbereiche: Der Umgang mit Lernaufgaben erfordert einerseits fachdidaktisches Wissen und Können (1), wenn es um die Auswahl, Bewertung und Konzeption geeigneter Diagnose- und Förderaufgaben geht. Um Lernaufgaben als Erhebungsinstrumente in einen systematischen, diagnostischen Prozess einbetten zu können, ist andererseits grundlegendes, diagnostisches Wissen (2) erforderlich. Die Analyse von Schülerlösungen greift zuletzt auf Fachwissen (3) zurück, welches zugleich Grundlage für die Planung von Fördermaßnahmen ist. Die theorie- und evidenzbasierte Entwicklung der Intervention folgt den Arbeitsschritten der kompetenzorientierten Studiengangsentwicklung (Schaper, 2012) und bezieht die Erkenntnisse zweier Vorstudien mit ein.
Die erste Vorstudie erhebt im Rahmen einer Bedarfsanalyse das Vorwissen zu pädagogischer Diagnostik. Im Vordergrund standen erlebte Lerngelegenheiten zu den oben genannten Wissensbereichen. Auf Grundlage der Forschungsfrage „Welche Einstellungen und Haltungen werden von Lehramtsstudierenden auf Grund ihrer Erfahrungen gegenüber der diagnostischen Kompetenz vertreten?“ wurden Lehramtsstudierende (n=12) des Fachs Biologie kurz vor ihrem Examen befragt. Durch fokussierte Gruppeninterviews und inhaltsanalytische Aufbereitung des Materials konnte die Vermutung, dass auch bisherige Lehramtsstudierende am Ausbildungsstandort Freiburg von mangelnden Lernangeboten betroffen sind, bestätigt werden. Das erhaltene Material wurde in Kategorien zusammengefasst und zu zwei Haltungen, die für die Passung von Lerninhalten und –aktivitäten relevant sind, verdichtet. Demnach kann eine aufgeschlossene Haltung zur positiven Aufnahme der Intervention beitragen, wenn die diagnostische Kompetenz als notwendige Qualifikation im Schulalltag thematisiert sowie Wünsche der Studierenden bezüglich praktischer Umsetzung von erlernten Methoden berücksichtigt werden. Eine problemorientierte Haltung der Befragten betont dagegen mangelnde Vorerfahrungen bezüglich Erhebungsmethoden sowie diagnostischem Grundlagenwissen und fordert zur Kompensation dieser Lücken auf. Die Ergebnisse werden in Hinblick auf deren Beitrag zu den drei Kohärenzkomponenten Verstehbarkeit, Bedeutsamkeit und Bewältigbarkeit späterer Diagnose- und Förderaktivitäten diskutiert.
Die zweite Vorstudie konkretisiert Lehrveranstaltungsinhalte (Themen und Methoden) der Intervention. In einer systematischen Übersicht wurden Erkenntnisse zur Reviewfrage „Welche thematischen Lehrveranstaltungsinhalte und methodischen Zugänge fördern diagnostische Kompetenz als die Fähigkeit, fachliches Lernen mithilfe von Lernaufgaben zu analysieren, bei Lehramtsstudierenden der naturwissenschaftlichen Fächer?“ identifiziert. Die Evidenz aus 36 Studien wurde in drei Kategorien zusammengefasst. Die erste Kategorie beschreibt Ausbildungsmerkmale, die beim Aufbau einer aufgabenbezogenen diagnostischen Kompetenz unterstützen können, zum Beispiel durch Konkretisierung des diagnostischen Grundlagenwissens. Die zweite Kategorie betont als methodischen Zugang Lehr-Lern-Konzepte, die über den Einsatz authentischer Fallbeispiele aktives Lernen befördern können. Eine dritte Kategorie fasst Evidenz zu Aufgaben als Lern- und Diagnosehilfen zusammen. Die Evidenzlage wird vor dem Hintergrund der Güte eingeschlossener Studien diskutiert.
Auf Grundlage der Vorstudien wurden im Rahmen einer didaktischen Konstruktion Kompetenzprofil, übergeordnete Lehrziele, adäquate Lehr- und Lernmaterialien sowie passende Lernaktivitäten entwickelt. Die Intervention (insg. 540min) wurde nach erfolgter Pilotierung als reguläre Lehrveranstaltung an der Universität Freiburg zu zwei Zeitpunkten ausgebracht und an jeweils drei Tagen (à 180min) durchgeführt. Teilnehmende beschäftigten sich mit Zielen und Notwendigkeit pädagogischer Diagnostik im Schulalltag, erwarben ein grundlegendes Diagnosewissen und durchliefen einen kompletten diagnostischen Prozess. Schwerpunkte waren die Entwicklung von Aufgaben als semiformelle Diagnoseinstrumente passend zu einem fachlichen Diagnoseziel, das Erheben und Auswerten von Daten anhand von Videovignetten, welche Schülerinnen und Schüler bei der Aufgabenbearbeitung zeigen sowie die Ableitung von Fördermaßnahmen. Die zweite Durchführung wurde nach den Erkenntnissen des Evidenzberichts mit Blick auf Reflexion als methodisches Grundelement überarbeitet.
Die Wirksamkeit der Intervention wurde im Rahmen der dritten Forschungsfrage untersucht: „Inwiefern fördert die biologiedidaktische Intervention die diagnostischen Kompetenzen als die Fähigkeit, fachliches Lernen mithilfe von Lernaufgaben zu analysieren?“. Die Auswertung der quasi-experimentellen Interventionsstudie erfolgte in einem Mixed-Methods-Design. Die summative Evaluation berücksichtigte aufgabenbezogenes Diagnosewissen (selbsterstellter Wissenstest) sowie selbsteingeschätzte Fähigkeiten zum Unterrichten und Diagnostizieren (KLiP). Die Auswertung der Daten erfolgte im Prä-/Posttest-Vergleich mithilfe zweifaktorieller Varianzanalysen. In Hinblick auf das diagnoserelevante Selbstkonzept der Teilnehmenden wurden Einstellungen und Vorerfahrungen zur Pädagogischen Diagnostik mithilfe eines selbsterstellten Fragebogens erhoben. Im Posttest wurde die Intervention bezüglich Akzeptanz (heiQ) und Verständlichkeit (COHEP) durch die Teilnehmenden bewertet und mithilfe verteilungsfreier Tests analysiert. Relevantes Fachwissen wurde separat erhoben (MC-Wissenstest). Die qualitative Evaluation wurde durch Gruppeninterviews parallel zur Durchführung der Intervention umgesetzt und fand zu drei Zeitpunkten vor, nach und während der Intervention statt. Das Material wurde im Forschungsrahmen der Grounded Theory ausgewertet.
Ein Kompetenzzuwachs der Teilnehmenden (n=103) kann nach Auswertung des Wissenstests zum aufgabenbezogenen Diagnosewissen sowie den selbsteingeschätzten Fähigkeiten zum Unterrichten und Diagnostizieren als nachgewiesen gelten. Die Ergebnisse der qualitativen Evaluation sprechen für eine nachhaltige Einstellungsänderung, die zur Absicht führt, die Themen der Diagnose und Förderung als Entwicklungsaufgabe weiter vertiefen und erlernte Methoden praktisch ausprobieren zu wollen. Die Umsetzung der reflexionsbasierten Kursmethodik ging im Einklang mit der Literatur nicht mit Einbußen im aufgebauten Wissen einher. Es konnte jedoch kein zusätzlicher Effekt auf den Kompetenzzuwachs gemessen werden. Umfangreiche Reflexionsprozesse scheinen negative Auswirkungen auf die berichtete Akzeptanz und wahrgenommene Verständlichkeit zu haben. Weiterführende Analysen weisen auf einen hohen Einfluss von Fachwissen auf die erfassten Diagnoseleistungen hin. Auch das Vorwissen zur Pädagogischen Diagnostik stand in positivem Zusammenhang mit dem Wissenserwerb.
Der Kompetenzzuwachs wird abschließend vor dem Hintergrund des Einflusses zweier Personenmerkmale (Vorwissen zu pädagogischer Diagnostik, Fachwissen der Teilnehmenden) sowie der Wahrnehmung von Kohärenz diskutiert.