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Bei der Auswahl von Aufgaben für einen adaptiven Unterricht schätzen Lehrkräfte deren fachliche Anforderungen ein. Im Rahmen eines Modells der Informationsverarbeitung wird angenommen, dass bei solchen diagnostischen Urteilen über Aufgaben auf Basis fachdidaktischen Wissens schwierigkeitsgenerierende Merkmale identifiziert und diese hinsichtlich ihres Einflusses auf die Aufgabenschwierigkeit gewichtet werden. Dabei erfolgt die Verarbeitung von Oberflächen- und Tiefenmerkmalen unterschiedlich schnell und ist daher abhängig von der verfügbaren Zeit. Anliegen der Studie ist es, diese Annahmen über die kognitiven Prozesse bei der Urteilsbildung zu prüfen, indem Aufgabenmerkmale systematisch variiert und fachdidaktisches Wissen als Personenmerkmal sowie Zeitdruck als Situationsmerkmal experimentell variiert werden. Zur Prüfung der Modellannahmen werden bei Lehramtsstudierenden (N = 175) zwei Bedingungen verglichen: Einer Experimentalgruppe wird spezifisches fachdidaktisches Wissen über schwierigkeitsgenerierende Aufgabenmerkmale vermittelt. Ihre aufgabendiagnostischen Urteile werden durch paarweise Schwierigkeitsvergleiche erfasst und mit einer Kontrollgruppe verglichen – jeweils mit hoher und mit geringer Zeitrestriktion. Es zeigt sich, dass fachdidaktisches Wissen dazu führt, dass schwierigkeitsgenerierende Aufgabenmerkmale signifikant besser identifiziert und gewichtet werden, Zeitdruck hingegen hat signifikant negative Auswirkungen auf die Urteilsgüte. Die beschriebene Merkmalsvariation schlägt sich demnach hypothesenkonform in der Urteilsakkuratheit nieder, wobei die Prozesse der Identifizierung und der Gewichtung von schwierigkeitsgenerierenden Aufgabenmerkmalen unterschieden werden. Diese Ergebnisse erlauben Rückschlüsse auf die Bedeutung von spezifischem fachdidaktischem Wissen für diagnostische Urteile und geben damit Impulse für die Lehrkräfteaus- und -fortbildung. Die Unterscheidung der kognitiven Prozesse beim Einschätzen von Aufgabenschwierigkeit mit und ohne Zeitdruck legt nahe, dass sich Lehrkräfte hierüber während der Unterrichtsplanung (ohne Zeitdruck) und im Unterrichtsgeschehen (mit Zeitdruck) bewusst sein sollten, um reflektiert damit umgehen zu können.
Bei der Einschätzung von Aufgabenschwierigkeit müssen Lehrkräfte relevante Aufgabenmerkmale wahrnehmen, interpretieren und zu einem abschließenden Urteil integrieren. Diese der Aufgabendiagnose zugrundeliegenden kognitiven Prozesse wurden bisher zwar theoretisch angenommen, allerdings nur selten systematisch untersucht. Die Dissertation setzt sich auch unterschiedlichen experimentellen Studien zusammen, in denen personale Merkmale der beurteilenden Lehrkräfte (PCK, Berufserfahrung) und das situative Merkmal der vorhandenen Urteilszeit systematisch variiert wurden, um deren Einfluss auf die Urteilsprozesse zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Interpretation und die Integration der Aufgabenmerkmale wissensbasierte Urteilsprozesse sind, dass Berufserfahrung die akkurate Anwendung von vermitteltem Wissen selbst unter Zeitdruck ermöglicht und dass die vorhandene Urteilszeit ausschließlich den komplexen Prozess der Informationsintegration beeinflusst.
To adapt teaching to the prerequisites of students, teachers have various options at their disposal to gather and process information as the basis to form a judgment, such as carrying out tests, talking to and observing the behavior of students, or administering tasks. The complexity of such a judgment arises from the multitude of observations and their different possible explanations. This complexity might be reduced when teachers focus on one hypothesis instead of considering multiple hypotheses, interpret information in a confirmatory way, and not collect diagnostically relevant information. However, in this way, they run the risk of undesirable biased judgments. It therefore seems important to improve diagnostic judgments by selecting and processing information in a more reflective way. Research indicates that if information on a student is not easily available but restricted (e.g., by time pressure, difficult access to the student or high effort), a teacher who wants to make a careful decision is forced to rely on more reflective processes in the selection of tasks and in the interpretation of solutions. The present experimental study therefore investigates how the restricted availability of information in a specific diagnostic situation—when diagnostically inexperienced prospective mathematics teachers determine misconceptions in decimal fractions—influences the underlying cognitive processes. We assume that restricting the availability of information on student behavior augments the attentional focus and therefore reduces cognitive biases. Such more reflective processing can be observed by an increased time spent per piece of information, which should lead to the processing of relevant information and further increase judgment accuracy. To investigate these hypotheses, prospective teachers without prior knowledge in diagnosing misconceptions ( N = 81) were asked to diagnose misconceptions on decimal fractions of virtual students by collecting information on students’ solutions. Data concerning the effects of restricting the availability of information on teachers’ cognitive processes were analyzed. The results show that with restricted information, participants indeed select a greater proportion of diagnostically relevant tasks, which positively influences judgment accuracy. These results are discussed with respect to their significance for framing teacher training and for further research.