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Die Fähigkeit, mathematische Textaufgaben hinsichtlich ihrer schwierigkeitsgenerierenden Merkmale zu beurteilen, erweist sich als wichtiger Indikator der diagnostischen Kompetenz von Mathematiklehrkräften. Die diagnostische Kompetenz umfasst die kognitiven Prozesse der Wahrnehmung von potenziell schwierigkeitsgenerierenden Aufgabenmerkmalen sowie deren Interpretation hinsichtlich ihrer Relevanz. Beide Beurteilungsprozesse erfordern kognitive Kapazitäten, die in realen Lehr-Lern-Situationen aufgrund des kapazitätsreduzierenden Einflusses von Stress beeinträchtigt werden können. Über den Einfluss von Stress auf die Prozesse des Wahrnehmens und Interpretierens von Aufgabenmerkmalen ist bislang wenig bekannt. Vor diesem Hintergrund wurde in der vorliegenden experimentellen Eye Tracking-Studie der Einfluss von Stress auf die diagnostischen Prozesse der Wahrnehmung sowie der Interpretation von schwierigkeitsgenerierenden Merkmalen bei mathematischen Textaufgaben untersucht. Die Teilnehmenden, N = 64 angehende Mathematiklehrkräfte (73,4 % weiblich), wurden randomisiert der Kontrollgruppe oder der Stressgruppe zugeordnet. Die künstliche Erzeugung von Stress bei den Teilnehmenden der Stressgruppe erfolgte vor der Beurteilung der schwierigkeitsgenerierenden Merkmale mithilfe des Sozialevaluativen Kaltwasserstresstests. Der Einfluss von Stress auf die Wahrnehmungsprozesse während des Diagnostizierens wurde über so genannte lokale Blickbewegungsmaße operationalisiert. Der Einfluss von Stress auf die Interpretationsprozesse wurde anhand der Begründungen der Teilnehmenden untersucht. Die Auswertungen der Studie zeigten, dass die schwierigkeitsgenerierenden Textaufgabenmerkmale sowohl von den Teilnehmenden der Kontrollgruppe als auch von denen der Stressgruppe wahrgenommen wurden. Die Aufmerksamkeit unter Stress begrenzte sich jedoch auf potenziell relevante Bereiche der Textaufgaben. Unter Stress wurden insgesamt weniger Merkmale für das diagnostische Urteil herangezogen und jedes schwierigkeitsgenerierende Merkmal wurde weniger oft als relevant interpretiert. Zusammenfassend weisen die Ergebnisse darauf hin, dass angehende Mathematiklehrkräfte unter Stress nur einen selektiven Bereich von Textaufgaben wahrnehmen und verarbeiten können. Insbesondere die kognitiv anspruchsvollen Verarbeitungsprozesse erscheinen eingeschränkt. Dies weist auf eine verzerrte und fehlerhafte Urteilsbildung in Stresssituationen hin.
The present study analyzed experimentally the association between the experience of psychological stress and the physiological stress response of prospective teachers. The experienced stress was assessed by self-reported data. Cortisol concentrations via saliva samples reflected the physiological response. The results show no difference between the stress and the control group in the experience of psychological stress. However, the stress group had significantly increased cortisol concentrations compared to the control group. The study could not show any correlation between the two stress parameters. The results suggest that a stress response should be validated based not only on the experience of psychological stress but also on the physiological stress response. This is particularly crucial in light of the fact that the majority of studies concerning stress in teachers are limited to experiences of psychological stress so far. Due to this, the results may provide a first important contribution to a more comprehensive stress assessment for teachers.
Der Forschungsstand zu diagnostischen Kompetenzen von Lehrkräften – als wesentliche Voraussetzung für Feedback oder adaptives Unterrichten – wird zurzeit als unbefriedigend angesehen, da kaum überzeugende Theorien über die kognitiven Prozesse bei der Genese diagnostischer Urteile bestehen. An dieser Stelle setzt das Rahmenmodell DiaCoM (Explaining Teachers’ Diagnostic Judgements by Cognitive Modeling) an. Das DiaCoM-Rahmenmodell bietet eine theoretische Basis für Forschungsansätze, die diagnostische Urteile von Lehrkräften als Informationsverarbeitungsprozesse erklären wollen. Es konzeptualisiert diagnostisches Urteilen in Bildungskontexten als kognitive Prozesse einer Lehrkraft über Schülerinnen und Schüler (z. B. deren Fähigkeit) oder über Anforderungen (z. B. Aufgabenschwierigkeiten) auf der Grundlage der Informationen, die explizit oder implizit in einer diagnostischen Situation bestehen. Es bezieht sich auf Theorien der kognitiven Informationsverarbeitung und erfordert eine Spezifikation von vier Komponenten: die Personencharakteristika, die Situationscharakteristika, das diagnostische Denken als Informationsverarbeitung und schließlich das Diagnoseverhalten. Der Beitrag stellt dar, wie das DiaCoM-Rahmenmodell als forschungsheuristisches Modell eingesetzt werden kann, um Erklärungswissen zur Genese diagnostischer Urteile zu generieren: Durch Spezifikation der informationsverarbeitenden Prozesse können theoretische Voraussagen darüber getroffen werden, welche Personen- und Situationscharakteristika zu welchem diagnostischen Verhalten führen. Diese Annahmen sind dann einer experimentellen Prüfung durch systematische Variation der Situation oder der Personen (z. B. durch Instruktion) zugänglich.