@phdthesis{Schmalhofer2012, author = {Helen Schmalhofer}, title = {Das linguistische Wissen der Kinder am Anfang des Schrifterwerbs Untersuchung zur Aneignung der Schrift im 1. und 2. Schuljahr unter Ber{\"u}cksichtigung phonetisch-phonologischer Modellierungen}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:frei129-opus-3882}, year = {2012}, abstract = {Viele Aspekte der Lese-Rechtschreibschwierigkeiten der Kinder sowie ihre „Fehl“-Schreibungen verweisen nicht auf medizinisch-psychologisch bedingte „St{\"o}rungen im Kind“, sondern auf einen urs{\"a}chlichen Zusammenhang mit gesprochener und geschriebener Sprache. Aus sprachlich orientierter Perspektive betrachtet erscheinen ihre Fehler als ein „Wissen“ um Sprache. Diese Beobachtung f{\"u}hrt zur Konzeption einer Untersuchung, deren zentrales Anliegen die Erforschung des sprachlichen Wissens und der Fragen der Kinder in Zusammenhang mit ihren ersten Schreibungen ist – orientiert an einer sprachwissenschaftlichen Beschreibung und Einordnung. Das Erkenntnisinteresse gilt dem Zusammenhang zwischen den Fehlern in den Schreibungen und dem sprachstrukturellen bzw. beginnenden schriftstrukturellen Wissen der Kinder, das sie in ihrer Sprachanalyse und Verschriftung zum Ausdruck bringen. Theoretische Basis der Untersuchung ist eine phonetisch-phonologische Modellierung des Deutschen (Maas 1999 / R{\"o}ber 1998c, 2000a), die Schrift als Repr{\"a}sentation phonologischer Strukturen und nicht als lineare Kette von Buchstaben in Abbildung einer Lautkette betrachtet. Die Aneignung von Schrift wird sowohl qualitativ wie quantitativ untersucht. Die qualitative „Pilotuntersuchung“ fokussiert die sprachliche Ausgangssituation von Kindern am Anfang des Schrifterwerbs (Untersuchung von 10 Kindern im Kindergarten) sowie die Analysen ihrer gesprochenen Sprache im Prozess des ersten Verschriftens (Prozessbeobachtung in einer 1. Klasse mit 21 Kindern). Die quantitative „Hauptuntersuchung“ (klassenweise erstellte Verschriftung von Bilderlisten in sechs 1. Klassen mit insgesamt 109 Kindern, durchgef{\"u}hrt in drei Durchg{\"a}ngen von November bis April des Schuljahres) dient der Verifizierung der Prozessbeobachtungen. Die W{\"o}rter der Bilderlisten, die den Kindern vorgelegt werden, sind so gew{\"a}hlt, dass alle f{\"u}r die deutsche Sprache typischen Wortbetonungsmuster darin vorkommen. Die 15501 Wortschreibungen werden mit SPSS erfasst, die Ergebnisse in Form von Tabellen und Diagrammen dargestellt. An Hand der Ergebnisse wird die Bedeutung der linguistischen Perspektive f{\"u}r den Schrifterwerb, und in diesem Zusammenhang vor allem f{\"u}r den Umgang mit Auff{\"a}lligkeiten, die als Lese-Rechtschreibschwierigkeiten interpretiert werden, dargestellt. Der Perspektivenwechsel – weg vom defizit{\"a}ren Blick auf „Fehl“-Schreibungen hin zur linguistischen Beschreibung – kann dazu beitragen, den Einblick in die komplexen Aufgaben, die Kinder bei der Aneignung schriftsprachlicher Strukturen zu leisten haben und die Rolle, die Unterricht dabei spielt, zu vertiefen. Durch die Einbeziehung aller Kinder einer Klasse, von den Kompetenzstufen 1 der Fortgeschrittenen bis zu den Kompetenzstufen 4 der Anf{\"a}nger, f{\"u}hren die Ergebnisse schlie{\"s}lich zur Diskussion der Annahme vom „linguistischen Wissen der Kinder“: Kinder von Kompetenzstufe 1 und 2 pr{\"a}sentieren bereits im November orthographische Schreibungen, Kinder von Kompetenzstufe 3 und 4 erst sehr viel sp{\"a}ter. Die Verschriftungen k{\"o}nnen zeigen, dass erstere sich fr{\"u}h vom genauen Analysieren ihrer gesprochenen Sprache l{\"o}sen und sich die schriftrelevanten Strukturen offensichtlich {\"u}ber die Auseinandersetzung mit Schrift aneignen. Letztere verbleiben auf der Ebene der genauen Sprachanalyse. D. h. ihre F{\"a}higkeit und Bereitschaft zur pr{\"a}zisen Wahrnehmung des Gesprochenen – auch im Sinne der Forderungen des Unterrichts – scheinen in eine Sackgasse zu f{\"u}hren. Das sprachliche Wissen der Kinder alleine gew{\"a}hrleistet keinen erfolgreichen Schrifterwerb. Dieses Ergebnis relativiert die Annahme vom „linguistischen Wissen der Kinder“ und wirft schrifterwerbstheoretische und schriftdidaktische Fragen auf. Es kann darauf hinweisen, dass f{\"u}r eine gelingende Aneignung von Schrift das sprachliche Wissen zum Aufbau von Schrift-Wissen genutzt werden muss. Kindern der Kompetenzstufen 3 und 4 gelingt dies – im Verh{\"a}ltnis zu Kindern der Kompetenz-stufen 1 und 2 – nur relativ langsam. Nicht wenige von ihnen scheinen auf qualifizierte Hilfe durch Unterricht angewiesen zu sein. Es kann verdeutlichen, dass Lehrende ein fundiertes linguistisches Wissen brauchen, um das „linguistische Wissen der Kinder am Anfang des Schrifterwerbs“ sach-ad{\"a}quat aufgreifen und analysieren zu k{\"o}nnen, um allen Kindern, vor allem denjenigen, die den im Schrifterwerb notwendigen Aufbau von Schrift-Wissen nicht von Beginn an „von selbst“ leisten k{\"o}nnen, {\"u}ber geeignete Darbietungen den Weg zu einem sicheren sprachstrukturierten Schrifterwerb zug{\"a}nglich machen zu k{\"o}nnen.}, language = {de} }