@phdthesis{Bley2012, author = {Ulla Bley}, title = {Biographisches Lernen und personalisierte Nachsorge in der rehabilitativ-station{\"a}ren Adipositastherapie – Die BLUNA Studie}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:frei129-opus-3906}, year = {2012}, abstract = {Einleitung W{\"a}hrend es im Rahmen der rehabilitativ-station{\"a}ren Adipositas-Behandlung teilweise gelingt, die sportliche Aktivit{\"a}t, auch mithilfe von Nachsorgeprogrammen, l{\"a}ngerfristig zu erh{\"o}hen, {\"a}ndern sich das Ern{\"a}hrungsverhalten und auch Parameter wie die Gewichtsabnahme eher selten. Dies mag im Wesentlichen darin begr{\"u}ndet sein, dass Ern{\"a}hrungsgewohnheiten zu den stabilsten Gewohnheiten z{\"a}hlen und haupts{\"a}chlich durch Essbed{\"u}rfnisse bestimmt werden, die stark emotional, biographisch und kulturell gepr{\"a}gt sind. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass eine Handlungsabsicht allein nicht ausschlaggebend f{\"u}r eine Verhaltens{\"a}nderung ist. Vielmehr m{\"u}ssen St{\"o}rfaktoren wie allt{\"a}gliche Versuchungen und Gewohnheiten oder unvorhergesehene Hindernisse ber{\"u}cksichtigt und in kluge Handlungsplanung umgesetzt werden. Daher scheint es sinnvoll, bei der Behandlung von Adipositas insbesondere Elemente aus der Ern{\"a}hrungspsychologie, Gesundheitsp{\"a}dagogik und Verhaltenstherapie viel st{\"a}rker zu betonen als bisher {\"u}blich. Ein in diesem Gebiet verorteter Ansatz ist die Biographiearbeit, die als Voraussetzung f{\"u}r die nachhaltige Ver{\"a}nderung von Essgewohnheiten ein grundlegendes Verst{\"a}ndnis des pers{\"o}nlichen Verhaltens in Zusammenhang mit der eigenen Essgeschichte vorsieht. Auf Basis dieser Erkenntnisse wurde ein Schulungsprogramm entwickelt, kurz BLUNA genannt, das auf biographischem Lernen basiert und zus{\"a}tzlich neben Wissenselementen besonders die verbindliche Planung von Ver{\"a}nderungen der Ern{\"a}hrungsgewohnheiten im Alltag beinhaltet. Dabei werden die Patienten angeleitet, anhand eines Ern{\"a}hrungstagebuches ausschlie{\"s}lich selbst ausgew{\"a}hlte Gewohnheiten und deren f{\"u}r ihren Alltag realistische Ver{\"a}nderung individuell zu erarbeiten und zu planen. Die BLUNA-Schulung besteht aus drei Gruppenschulungsseminaren w{\"a}hrend des Klinikaufenthalts sowie drei leitfadengest{\"u}tzten Nachsorgetelefonaten, die im Abstand von jeweils einem Monat nach dem station{\"a}ren Aufenthalt durchgef{\"u}hrt werden. Im Rahmen der Seminare werden die Patienten bei der Bestimmung pers{\"o}nlicher konkreter Ver{\"a}nderungsziele angeleitet. Das Bestreben ist, die selbst bestimmten Vorhaben f{\"u}r vier Wochen zu verfolgen und deren Erfolg bzw. Misserfolg in den jeweiligen Telefonaten gemeinsam mit einem Therapeuten zu besprechen, um anschlie{\"s}end das weitere Vorgehen bis zum n{\"a}chsten Kontakt festzulegen. Methode Um die Wirksamkeit der BLUNA-Schulung zu untersuchen, wurde eine kontrollierte prospektive Interventionsstudie an einer Rehabilitationsklinik durchgef{\"u}hrt. Die Kontrollgruppe (KG) n= 158 wurde von Oktober 2009 bis August 2010, die Interventionsgruppe (IG) n= 92 von Oktober 2010 bis Juni 2011 rekrutiert. Die KG nahm im Rahmen des in der Regel dreiw{\"o}chigen Klinikaufenthalts neben dem umfassenden therapeutischen Angebot der Klinik an einem {\"u}blichen Adipositas-Schulungsprogramm teil (zwei Seminarstunden). Bei der IG wurde letzteres durch das neue BLUNA-Schulungsprogramm ersetzt. Messparameter waren unter anderem die Zusammensetzung der Ern{\"a}hrung der Patienten, K{\"o}rpergewicht und Bauchumfang, die zu Beginn (t0), am Ende (t1) und sechs Monate nach der Rehabilitation (t2) bestimmt wurden. Als St{\"o}rfaktoren wurden, Alter, Geschlecht und die Reha-Erwartungen (FREM-17) erhoben. Es wurde zus{\"a}tzlich eine Aufwandsabsch{\"a}tzung der telefonischen Nachsorge vorgenommen. Die Analysen erfolgten deskriptiv auf der Basis von Mittelwertvergleichen und Anteilswerten. Unterschiede in der Zusammensetzung der Ern{\"a}hrung oder der Ver{\"a}nderung der K{\"o}rperma{\"s}e wurden mittels einfaktorieller Varianzanalyse auf statistische Signifikanz gepr{\"u}ft. M{\"o}gliche Einflussgr{\"o}{\"s}en wurden mittels multifaktorieller Modelle bestimmt. Ergebnisse Nach drei Erhebungszeitr{\"a}umen konnten n=63 der IG und n=76 der KG in die statistische Analyse eingeschlossen werden (R{\"u}cklauf: IG 70\% bzw. KG 49,7\%). Die Personen der Interventions- und der Kontrollgruppe waren mittleren Alters (55,3 Jahre (IG) bzw. 51,8 Jahre (KG), unterschieden sich jedoch hinsichtlich ihrer Geschlechterverteilung statistisch signifikant (61,9\% M{\"a}nner (IG) bzw. 76,6\% M{\"a}nner (KG), (p<0,05). Durchschnittlich betrug das K{\"o}rpergewicht der Personen zum Zeitpunkt t0 103,1kg (IG) bzw. 108,9kg (KG), das mit einer K{\"o}rpergr{\"o}{\"s}e von 1,75m (IG) bzw. 1,77m (KG) einem durchschnittlichen BMI von 33,8kg/m² (IG) bzw. 34,8kg/m² (KG) entspricht. Unter Ber{\"u}cksichtigung der Kovariate Geschlecht zeigten sich bez{\"u}glich der Ver{\"a}nderung der K{\"o}rperma{\"s}e (u.a. K{\"o}rpergewicht, Bauchumfang und BMI) keine Interventionseffekte. Beispielsweise konnten beide Gruppen zwar w{\"a}hrend des Klinikaufenthalts 3,0kg ± 2,9SD (IG) bzw. 3,7kg ± 2,4SD Gewicht verlieren und bis zum Zeitpunkt der Katamnese (t2) weitere 4,0kg ± 7,8SD bzw. 2,3kg ± 6,2SD. Jedoch waren diese Unterschiede nicht statistisch signifikant. Hinsichtlich der Ern{\"a}hrungsparameter zeigten sich konstante Werte zu den Messzeitpunkten t0 und t2 und ebenfalls kein Interventionseffekt. Die Erwartung an Erholung w{\"a}hrend der Rehabilitation erwies sich als Pr{\"a}diktor f{\"u}r eine geringere Abnahme des K{\"o}rpergewichts und des BMI in allen Messzeitr{\"a}umen (t0-t1, t1-t2 und t0-t2). Gleichzeitig waren diese Erwartungen neben der Steigerung der k{\"o}rperlichen Leistungsf{\"a}higkeit bei den Patienten durchschnittlich am st{\"a}rksten ausgepr{\"a}gt. Ferner erwiesen sich ein hohes Eingangsk{\"o}rpergewicht bzw. hoher BMI als starker Pr{\"a}diktor f{\"u}r eine gr{\"o}{\"s}ere Gewichtsabnahme in allen Messzeitr{\"a}umen. Diskussion und Ausblick Die Ergebnisse lassen darauf schlie{\"s}en, dass der hohe Grad an Individualisierung und der Fokus auf die pers{\"o}nlichen Essgewohnheiten der Patienten sowohl im Rahmen der Seminare in der Klinik als auch w{\"a}hrend der Nachsorgetelefonate nicht den erwarteten positiven Effekt auf die Zielparameter hatten. Das Ern{\"a}hrungstagebuch wurde w{\"a}hrend der Nachsorgema{\"s}nahme nicht mehr genutzt. Ferner bildete sich heraus, dass die Ziele bzw. Vorhaben seitens der Patienten immer allgemeiner und unverbindlicher formuliert wurden. Hinsichtlich der Erwartungen an die Rehabilitation scheint, dass der Fokus der Rehabilitierenden auf Erholung m{\"o}glicherweise einer aktiven und verbindlichen {\"A}nderung von Ern{\"a}hrungsgewohnheiten entgegenstand. Es ist zu {\"u}berlegen, ob die Motivation und Ver{\"a}nderungsbereitschaft hinsichtlich der Ern{\"a}hrungsgewohnheiten vor bzw. zu Beginn der Rehabilitationsma{\"s}nahme bestimmt werden sollte und wie ein Bewusstsein aller Beteiligten f{\"u}r eine aktivere Therapieatmosph{\"a}re nicht nur im Bereich „Ern{\"a}hrung“, sondern auch „Essen und Trinken“ erreicht werden k{\"o}nnte. Gleichzeitig unterstreichen die Ergebnisse der BLUNA-Studie einmal mehr, dass die Ver{\"a}nderung von Ern{\"a}hrungsgewohnheiten ein komplexer Prozess ist – insbesondere, wenn die Lebensverh{\"a}ltnisse weiterhin zugunsten der Nahrungsaufnahme und Bewegungsarmut ausgerichtet bleiben.}, language = {de} }