@phdthesis{Kubanski2013, author = {Dagmar Kubanski}, title = {Grenz{\"u}berschreitungen im Leben von Frauen mit Behinderungen Eine qualitative Studie zur Konstruktion von Selbstbehauptungsstrategien im Alltag behinderter Frauen im Kontext grenz{\"u}berschreitender Situationen}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:frei129-opus-4149}, year = {2013}, abstract = {In der Forschungsarbeit wird Grenz{\"u}berschreitung im doppelten Sinne thematisiert. Es werden behinderte Frauen befragt, die sich in ihrem Alltag behaupten und damit vorgegebene Grenzen {\"u}berschreiten. Zugleich sprechen sie dar{\"u}ber, dass ihre Pers{\"o}nlichkeitsgrenzen in verletzender Weise {\"u}berschritten wurden. Die Forschungslage zeigt, dass Frauen mit Behinderung in hohem Ma{\"s}e von physischer und psychischer und/oder sexualisierter Gewalt und Ausbeutung betroffen sind (vgl. Schr{\"o}ttle 2011). H{\"a}ufig kommen sie in der Kindheit mit - teils subtilen - Grenz{\"u}berschreitungen wie z.B. eingreifenden therapeutisch/medizinischen Interventionen in Ber{\"u}hrung, so dass es ihnen schwer f{\"a}llt, sie als solche zu erkennen und zu benennen. Da Fragen nach der Wahrnehmung und Einstellung zur eigenen Behinderung und zum K{\"o}rpererleben sowie nach den Ver{\"a}nderungen des pers{\"o}nlichen Raumes im Zentrum dieser Dissertation stehen, bietet sich als theoretische Grundlage die Habitustheorie von Bourdieu (1999) an. Mit der Habitustheorie wird gezeigt, dass der Mensch (mit Behinderung) gesellschaftlicher Formung ausgesetzt ist. Daneben gibt er sich selbst eine Form, ordnet sich aktiv in die gesellschaftlichen Verh{\"a}ltnisse ein und besitzt damit die M{\"o}glichkeit zur Ver{\"a}nderung. Die Ver{\"a}nderbarkeit oder Stabilit{\"a}t des Habitus ist daher abh{\"a}ngig von den sozialen Verh{\"a}ltnissen. F{\"u}r die Ver{\"a}nderbarkeit spricht, dass die Normalit{\"a}tsvorstellungen innerhalb der Gesellschaft nicht konstant sind, d.h. es gibt einen so genannten flexiblen Normalismus (vgl. Link 1997, 75). Es ist daher grunds{\"a}tzlich offen, welcher K{\"o}rper als normal, anormal, funktionsf{\"a}hig oder beeintr{\"a}chtigt definiert wird. Au{\"s}erdem k{\"o}nnen Akte symbolischer Gewalt, wie Bourdieu sie beschreibt (vgl. 1998, 173f.), Grenz{\"u}berschreitungen sein und geschehen unbemerkt w{\"a}hrend der Erbringung von Unterst{\"u}tzungsleistungen. Um die Sichtweisen und Deutungen der behinderten Frauen zu ihren Erfahrungen und ihrem K{\"o}rpererleben darzustellen, leiteten folgende Fragen den empirischen Forschungsprozess: - Welche subjektiven Deutungen bez{\"u}glich der eigenen Wahrnehmung ihrer Behinderung lassen sich bei den Frauen finden? - Wie {\"a}u{\"s}ern sich gesellschaftliche Bedingungen, wie bspw. Reglementierungsmechanismen, Normalisierungsdruck und Formen p{\"a}dagogischer Disziplinierung, in den Deutungen der Frauen? - Welche Konflikte und Problemlagen lassen sich im Zusammenhang mit Therapien und medizinischer Versorgung erkennen? Es wurden 10 Interviews mit 10 Frauen {\"u}ber einen Zeitraum von zwei Jahren gef{\"u}hrt. Die Interviews erfolgten leitfadengest{\"u}tzt in halb-strukturierter Form entlang der Biographie. Die Interviewpartnerinnen wurden maximal variiert – bspw. im Hinblick auf ihr Alter, die k{\"o}rperliche Behinderung und den Unterst{\"u}tzungsbedarf. Die Auswertung der Interviews erfolgte auf der methodologischen Basis der „Qualitativen Heuristik“ nach Gerhard Kleining. Die Ergebnisse m{\"u}nden in ein von der Forscherin entwickeltes Ergebnisstrukturmodell, welches in einer Kreisbewegung einen offenen sich wiederholenden Prozess darstellt. Forschungsleitend war die Aufschl{\"u}sselung grenz{\"u}berschreitender Situationen. Ausgehend von der (Erst-) Wahrnehmung der eigenen Behinderung als zentrale Kategorie kommt es zu einem Kreislauf aus Ver{\"a}nderungs-, Lenkungs- und Erzeugungsprozessen. Frauen mit einer sichtbaren K{\"o}rperbehinderung inkorporieren eine Signatur als ein zusammengesetztes und neutrales Zeichen in ihren elastischen Habitus. Im Sinne Bourdieus kann die Behinderung eine Disposition sein, die zwar best{\"a}ndig, aber nicht unver{\"a}nderbar von au{\"s}en ist. Die Best{\"a}ndigkeit des ver{\"a}nderten K{\"o}rpers ist dabei immanent, die Signatur ist von Interaktiven Prozessen gepr{\"a}gt und kann flexibel gedacht werden. Die empirischen Ergebnisse, die f{\"u}r einen begrenzten Ausschnitt der sozialen Wirklichkeit Geltung haben, zeigen, dass grenz{\"u}berschreitende Situationen und ihre fortw{\"a}hrende Auseinandersetzung damit zu einem kontinuierlichen Zuwachs von Selbstbestimmung f{\"u}hren k{\"o}nnen. Die Frauen wachsen am Widerstand, der ihnen als Grenze in Form von Reglementierungsmechanismen und gesellschaftlichem Normalisierungsdruck entgegenkommt. Dazu nutzen sie individuelle Bew{\"a}ltigungsstrategien zur Selbstbehauptung sehr bewusst und {\"u}berschreiten als Folge im Sinne Bourdieus Feldgrenzen. Vor dem Hintergrund einer weitgehend stabilen {\"o}konomischen Absicherung, einer sicheren R{\"u}cklage aus sozialem und kulturellem Kapital hat sich bei ihnen eine dauerhafte Kraftreserve gebildet. Diese Arbeit wird als Beitrag zur Diskussion zu einer k{\"o}rpersoziologischen Forschungsperspektive auf das Thema Behinderung verstanden. Dazu ist der Habitus-Ansatz Pierre Bourdieus ein {\"u}berzeugendes Erkl{\"a}rungskonstrukt. Ebenso setzt die Arbeit erste Impulse, partizipatorische Forschungsans{\"a}tze in Bezug auf Frauen und M{\"a}nner mit Behinderungen in Zukunft st{\"a}rker zu verfolgen.}, language = {de} }